Immer häufiger müssen Bahnunternehmen in Berlin und Brandenburg mit Ausfällen, technischen Defekten und finanziellen Einbußen kämpfen. Besonders betroffen sind die Linien der Ostdeutschen Eisenbahn (Odeg), der Deutschen Bahn (DB) Regio Nordost sowie der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB). Die Zahl der Störungen, Verspätungen und Strafen steigt seit Monaten deutlich an.
Inhaltsverzeichnis:
- Lars Gehrke und die defekten Toiletten in Odeg-Zügen
- Birte Enzensberger und die Kampagne für mehr Rücksicht
- Überfüllte Züge und neue Bahnstrecken
- Bauarbeiten, Ausfälle und neue Fahrzeugtypen
- Verzögerungen, Ausfälle und ein Stellwerksbrand
Lars Gehrke und die defekten Toiletten in Odeg-Zügen
Lars Gehrke, Geschäftsführer der Ostdeutschen Eisenbahn, machte während einer Veranstaltung des Berliner Fahrgastverbands IGEB deutlich, wie ernst die Lage ist. „Die Situation ist für unsere Fahrgäste, aber auch für uns nicht mehr hinnehmbar“, sagte er. Vor allem die Toiletten in den Zügen bereiten große Probleme. 90 Prozent der Ausfälle seien laut Gehrke fahrgastbedingt. Schon wenige Spülvorgänge nach einer Reparatur führen erneut zum Ausfall.
Die Ursachen sind vielfältig. In den Siemens-Desiro- und Stadler-Kiss-Zügen sind die Rohre besonders dünn. Schon wenige Papierhandtücher verstopfen das System. In manchen Fällen mussten Mitarbeiter größere Gegenstände aus den Toiletten entfernen. Trotz Hinweisschildern wird die Technik immer wieder beschädigt.
Auch andere Bahnbetreiber melden ähnliche Schwierigkeiten. Allein im August überstiegen die Strafzahlungen für WC-Störungen auf den Linien RE8 und RE85 die Summe von 60.000 Euro. Im vergangenen Oktober waren es über 40.000 Euro. Besonders teuer wird es auch wegen Graffiti: Im Februar erhielt die Odeg fast 140.000 Euro weniger vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB).
Birte Enzensberger und die Kampagne für mehr Rücksicht
Die Deutsche Bahn reagiert auf die zunehmenden Probleme mit einer Informationskampagne. Birte Enzensberger von DB Regio Nordost erklärte, dass Rücksichtnahme im Zug stark nachgelassen habe. Das Bundesunternehmen startete daher eine Aktion für mehr Respekt und Sauberkeit.
In Podcasts, Durchsagen, auf Instagram und weiteren Kanälen informiert die Bahn über richtiges Verhalten. Dazu zählen einfache Regeln:
- Gepäck nicht auf Sitzplätzen ablegen,
- keine lauten Telefonate,
- keinen Müll liegen lassen.
Laut einer Umfrage wünschen sich mehr als 50 Prozent der Befragten im Alter zwischen 16 und 24 Jahren solche Hinweise. Die Bahn sieht darin einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Reisealltags.
Überfüllte Züge und neue Bahnstrecken
Beim Fahrgast-Sprechtag der IGEB kamen auch die Fahrgäste zu Wort. Besonders häufig wurde die Linie RE7 zwischen Dessau, Berlin und Senftenberg kritisiert. Die Züge sind überfüllt, die Sitzplätze reichen oft nicht aus. Obwohl der Takt an Wochenenden auf eine Stunde verkürzt wurde, besteht der Zug meist nur aus einem fünfteiligen Fahrzeug.
Birte Enzensberger bestätigte die Probleme und erklärte, dass über eine Verstärkung mit einem zusätzlichen Dreiteiler gesprochen werde. Dafür müsse jedoch eine Finanzierung gefunden werden.
Zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember soll zudem die neue Dresdner Bahn im Süden Berlins in Betrieb gehen. Der Flughafen-Express (FEX) wird dann in 23 Minuten vom Hauptbahnhof zum Flughafen BER fahren. Die bisherige Direktverbindung von Gesundbrunnen zum Flughafen entfällt. VBB-Planer Bernd Arm empfahl Reisenden, am Potsdamer Platz oder Südkreuz umzusteigen.
Bauarbeiten, Ausfälle und neue Fahrzeugtypen
Bis zum 30. April 2026 bleibt die Hamburger Bahn wegen Bauarbeiten vollständig gesperrt. Pendler aus Wittenberge, Nauen und Falkensee müssen mit längeren Fahrzeiten rechnen. Danach folgt die Sanierung der Lehrter Bahn von Rathenow nach Stendal. Zwischen dem 2. Oktober und dem 12. Dezember 2026 wird die Strecke bis Lehrte geschlossen, 2027 ist ein eingleisiger Betrieb geplant.
Auch die Niederbarnimer Eisenbahn kämpft mit Einschränkungen. Geschäftsführer Sebastian Achtermann berichtete, dass im Juli 23 Prozent der geplanten Zug-Kilometer wegen Baustellen nicht gefahren werden konnten. Im Juni waren es 15,2 Prozent.
Dennoch gibt es technische Fortschritte. Seit dem 15. Oktober ist der Siemens Mireo Plus H für Doppeltraktionen zugelassen, und seit dem 4. September ist die Akkuzugflotte mit 31 Fahrzeugen komplett. Das hat laut Achtermann die Situation auf der Ostbahn deutlich verbessert.
Verzögerungen, Ausfälle und ein Stellwerksbrand
Früher lag die Pünktlichkeitsquote im Regionalverkehr bei 90 bis 95 Prozent. Heute erreichen viele Linien kaum noch 80 Prozent. Auf der wichtigen Ost-West-Linie RE1 waren im September nur 82,7 Prozent der Züge pünktlich.
Die Alstom-Dieseltriebwagen vom Typ Lint auf den Linien RB33, RB37 und RB51 sind laut Gehrke in schlechtem Zustand. „Diese Fahrzeuge sind eine Farce,“ erklärte er.
Zusätzlich erschwert ein Brand den Betrieb: Am 23. September zerstörte ein Feuer das Stellwerk Gerwisch. Seitdem müssen Fahrgäste auf der Strecke Berlin–Magdeburg in Möser auf Busse umsteigen. Der Neubau des Stellwerks soll zwölf Monate dauern, doch Gehrke zweifelt daran: „Nie und nimmer.“
Die Bahnunternehmen in Berlin und Brandenburg stehen vor einer Vielzahl an Problemen – von defekten Toiletten über überfüllte Züge bis hin zu Bauarbeiten und veralteter Technik. Trotz neuer Fahrzeugtypen und Modernisierungsplänen bleibt der Alltag für Fahrgäste schwierig. Die Zahlen zeigen, dass sich die Situation kurzfristig kaum verbessern wird.
Quelle: Berliner Zeitung